Der Stadtkern von Idstein ist durch eine große Anzahl von Fachwerkgebäuden geprägt, die zwischen 1410 und der Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet wurden und sich durch Vielgestaltigkeit und zum Teil reichen Schmuck auszeichnen. Dabei finden sich zwei Fachwerkbauweisen: hessische und fränkische. Sie kommen auch gemischt vor, weshalb man im hiesigen Raum von hessisch-fränkischem Fachwerkbau spricht. Hessisches Fachwerk ist geradlinig-geometrisch und zeigt nur sparsam Schmuckelemente; fränkisches Fachwerk ist durch geschweifte Hölzer und oft reicheren Schmuck gekennzeichnet.
65510 Idstein
Das im Renaissancestil erbaute Schloss wurde unter Einbeziehung älterer Gebäudeteile zwischen 1614 und 1634 errichtet. Bauherren waren die Grafen Ludwig II. (1565 - 1627) und sein Sohn Johannes (1603 - 1677), Baumeister Jost Heer und sein Sohn Henrich. Henrich Heer erbaute sich ein Wohnhaus auf der Obergasse (heute Höerhof).
Fürst Georg August Samuel (1665 -1721) ließ in erster Linie Veränderungen im Inneren des Schlosses durchführen. Sein Baumeister war Maximilian von Welsch. Der Deckenstuck und die Deckenmalereien, die sich erhalten haben, stammen aus dieser Zeit.
Nach Erlöschen der Linie Nassau-Idstein 1721 diente das Schloss verschiedenen Zwecken: Nassauisches Zentralarchiv 1728 - 1881 (ab 1866: preußisch); Genesungsheim für Familienmitglieder von Angehörigen der Preußischen Armee (1905 - 1914), Reservelazarett (1914 - 1918), Kaserne der französischen Besatzung (1919 - 1925); später Landschulheim, Studentenwohnheim, Lehrerbildungsanstalt und erneut Lazarett. 1946 wurde die neugegründete Pestalozzischule, eine Aufbauschule mit Internat, eingerichtet.
Zwischen 1988 und 1992 wurde das Schloss grundsaniert und in Raumbedarf und -zuschnitt weitestgehend den Erfordernissen eines modernen Schulbetriebs angepasst. Heute ist die Pestalozzischule ein Gymnasium des Rheingau-Taunus-Kreises (7. bis 13. Schuljahr).
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Die heutige evangelische Unionskirche wurde anstelle eines wohl romanischen Vorgängerbaues unter Einbeziehung älterer Gebäudeteile um 1340 als „Stiftskirche St. Martin“ errichtet. Unter Graf Johannes (1603 - 1677) wurde sie ab 1669 zu einer Predigt- und Hofkirche umgestaltet. Bemerkenswert ist die üppige Verwendung von Lahnmarmor für Arkaden und Säulen, für Taufstein, Altar, Kanzel und Grabmäler.
Sofort gefangen ist jeder Besucher von der für eine evangelische Kirche ungewöhnlichen Deckengestaltung: 38 großformatige Leinwandgemälde nach biblischen Themen, ausgeführt in Rubensscher Manier von Michael Angelo Immenraedt und Johann von Sandrart, zieren Decke und Obergaden. Kupferstiche von Anton van Dyck lieferten die Vorlagen zu den Apostelköpfen in den Arkadenzwickeln.
Die Kirche war Grablege der Grafen und Fürsten von Nassau. Grabmäler für Herrscher, Adel und Bürgerliche erinnern an deren Leben und Wirken in Idstein. Das prunkvollste Grabmal (links vom Altar) ist Idsteins letztem Herrscher, Fürst Georg August Samuel, seiner Gemahlin Henriette Dorothea und sieben Kindern des Fürstenpaares gewidmet. (Entwurf Maximilian von Welsch, Ausführung Franz Matthias Hiernle, Mainz).
Die Kirche heißt seit 1917 „Unionskirche“ zur Erinnerung an die 1817 in Idstein geschlossene Union zwischen Lutheranern und Reformierten in Nassau.
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1620 erhielt der Bauschreiber (soviel wie: Bauaufseher, Rechnungsführer) des Idsteiner Schlosses, Henrich Heer, von seinem Dienstherrn Graf Ludwig II. von Nassau-Weilburg das Stück Bauland dicht beim Obertor geschenkt. Hier erbaute Heer sich sein schönes Anwesen auf dem Gelände des ehemaligen gräflichen Schafhofes. Details wie die Welsche Haube, der Erkervorbau und die Verwendung von Bruchstein lassen die Vertrautheit mit dem Idsteiner Schloss erkennen.
Das Haus war nur bis um 1680 in Händen der Familie Heer. Danach tauchen Eigentümer auf wie Landhauptmann Heinrich von Joß (1685) bis Erbengemeinschaft Michel (1910). Diese verkauften 1910 an den aus Wiesbaden gebürtigen Kunstmaler Ernst Toepfer, der sich in dem Anwesen mit viel Liebe, Sachverstand und altem Hausrat die Wohnung und ein großzügiges Atelier einrichtete. Allerdings baute er auch einige hausfremde Details ein: z. B die dreiflüglige geschnitzte Umrahmung des Erkers im 1. Obergeschoss, das gläserne Rundbild im Erdgeschoss, den Sandsteinbrunnen im Hof usw.
Seit 1992 ist das Anwesen nach aufwendiger Restaurierung Hotel mit Restaurantbetrieb. Alte Kachelöfen und gußeiserne Öfen sind Reststücke von Toepfers Hausrat. In der „Gutsstub“ im Erdgeschoss haben sich Ausmalungen von Toepfers Hand erhalten.
Der Name Heer erscheint in den alten Akten in mindestens sieben Schreibweisen: Her, Hehr, Heher, Heehr, Hör, Höer. Der Erbauer Henrich allerdings unterschreibt ausschließlich mit „Heer“.
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